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Cue Exposure Therapy (CET) – ein Überblick

Cue Exposure Therapy (CET) trainiert den Patienten im klinischen und postklinischen Setting mittels auslösender Schlüsselreize (Cues), mit Situationen und Auslösern der Störung umzugehen und langfristig eine Besserung zu bewirken. Speziell bei Alkoholgebrauchsstörung (AUD) wird diesem Verfahren eine hohe Wirksamkeit nachgesagt, jedoch ist die Studienlage uneinheitlich.

Cue Exposure Therapy (CET) bei Alkoholgebrauchsstörung

Cue Exposure Therapy (CET) wurde in verschiedenen Studien untersucht, um ähnlich der Expositionstherapie bei Angsterkrankungen mittels auslösender Schlüsselreize (Cues) den Patienten zu desensibilisieren und den Umgang mit einem Auslöser mit geeigneten Methoden (CBT, USCS, MBSR etc.) zu ermöglichen und langfristig eine Besserung zu bewirken. In CET-Sitzungen werden substanzabhängige Patienten dem Anblick oder dem Geruch der Substanz oder sonstigen Auslösern (sogenannten Cues oder auch Triggern) ausgesetzt, ohne einen Konsum zuzulassen, um die Stimulus-Verbindung durch Auslöschung zu schwächen und damit das Verlangen (Craving) nach der Substanz zu dämpfen. Bei Alkoholkonsumstörung (AUD) wird diesem Verfahren eine hohe Wirksamkeit nachgesagt, jedoch ist die Studienlage uneinheitlich.

Die der CET zugrunde liegende Annahme ist, dass sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Auslösern akkumuliert haben, die mit Verlangen (Craving) und übermäßigem Alkoholkonsum in Verbindung gebracht werden. Infolgedessen können Auslöser, die mit Entzug und Erleichterungstrinken gepaart sind, ein konditioniertes Verlangen (Craving) auslösen, wenn der Betroffene diesen Auslösern ausgesetzt ist. Zu diesen Auslösern gehören zum Beispiel: Sehen oder Vorstellen des eigenen Lieblingsalkoholgetränks; das Erleben bestimmter emotionaler Zustände; die Gegenwart anderer Problemtrinker; Teilnahme an gesellschaftlichen Veranstaltungen wie Partys; Orte, an denen man Alkohol kauft oder konsumiert; illegaler Drogenkonsum; Zigarettenrauchen und selbstredend der Konsum eines alkoholischen Getränks können ebenfalls Craving und übermäßigen Alkoholkonsum auslösen. [1]Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 … Continue reading

CET basiert auf der Idee, dass die wiederholte Exposition gegenüber diesen Auslösern, entkoppelt vom tatsachlichen Trinken, die Verbindung zwischen dem Erleben dieser Auslöser, dem starken Verlangen (Craving) nach Alkohol und dem Rückfall des Trinkens aufheben kann. Betroffenen soll CET dabei helfen, dem Drang zu widerstehen, in Gegenwart von Alkohol und anderen Trinkauslösern weiter zu trinken. [2]Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 … Continue reading

Obwohl die Therapie anfangs im klinischen Umfeld stattfindet, kann der Klient aufgefordert werden, zwischen den Sitzungen selbstgesteuerte Cue-Expositions-Sitzungen durchzuführen, um Selbstwirksamkeit aufzubauen und die Verallgemeinerung auf die natürliche Umgebung zu fördern. Eine nächste Stufe, um eine mögliche Generalisierung zu erreichen, erfolgt mittels Therapeuten-gesteuerter Cue-Exposure in realen Umgebungen. Betroffene können beispielsweise in eine Bar oder ein Restaurant begleitet werden, wo sie normalerweise übermäßig trinken. Ähnlich wie bei klinikbasierten Sitzungen wird der Betroffene gebeten, sich vorzustellen, Emotionen zu erleben oder mit Personen zu interagieren, die ein Verlangen hervorrufen könnten. Wie in der Klinik wird das Verlangen und die Selbstwirksamkeit während der In-vivo-Cue-Expositionssitzung regelmäßig gemessen und der Therapeut und der Klient überprüfen, wie der Klient auf die Cue-Exposition reagiert. [3]Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 … Continue reading

Bisherige Anwendung und Erfolgsrate

Angststörungen vs. Suchtbehandlung

Es wurde eindeutig gezeigt, dass CET bei der Behandlung psychiatrischer Störungen mit einer parallelen Pawlowschen Konditionierungsätiologie, z.B. Angststörungen, erfolgreich ist [4]Norton PJ, Price EC. A meta-analytic review of adult cognitive-behavioral treatment outcome across the anxiety disorders. J Nerv Ment Dis. 2007 Jun;195(6):521-31. doi: … Continue reading. Überraschenderweise konnte im Gegensatz dazu eine eher geringe Wirksamkeit von CET in der Suchtbehandlung nachgewiesen werden [5]Conklin CA, Tiffany ST. Applying extinction research and theory to cue-exposure addiction treatments. Addiction. 2002 Feb;97(2):155-67. doi: 10.1046/j.1360-0443.2002.00014.x. PMID: 11860387.. Die Wirksamkeit von CET wird in der Literatur unterschiedlich bemessen. Neuere Untersuchungen kommen zu eher zurückhaltenden Ergebnissen.

Meta-Review zu CET bei AUD

Ein Meta-Review der Syddansk Universitet (University of Southern Denmark) [6]Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 … Continue reading kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Kein metaanalytisches Review hat bisher [Stand: 2017] die Wirkung von Cue Exposure Therapy (CET) auf Alkoholkonsumstörungen (AUD) untersucht.
  • CET zeigte keine bis geringe Effekte auf primäre Veränderung des Trinkverhaltens und kleine bis moderate Effekte auf sekundäre Effekte (6-12 Monate nach Therapie) im Vergleich zu Kontrollbedingungen.
  • Die Gesamtqualität der Evidenz wurde aufgrund Inkonsistenzen und Ungenauigkeiten im Studiendesign sowie vermuteter Publikationsbias als niedrig eingestuft.
  • Zusammenfassung: Insgesamt zeigte die CET keine bis geringen primäre Veränderung des Trinkverhaltens Nach 6 und 12 Monaten wurden geringfügige zusätzliche Effekte beobachtet, was darauf hindeutet, dass die Wirksamkeit von CET im Laufe der Zeit zunehmen kann. In Bezug auf die sekundäre Entwicklung, die bei der Nachuntersuchung nach 6 Monaten bewertet wurden, hatte die CET einen kleinen zusätzlichen Effekt auf den Gesamttrinkwert und einen moderaten zusätzlichen Effekt auf die Latenz bis zum Rückfall. Die Stratifizierung und Analyse ergab, dass CET in Kombination mit USCS die bessere Option zur Behandlung von AUD im Vergleich zu konventioneller CET sein kann. Da jedoch relativ wenige CET-Studien zur AUD verfügbar waren und diese als Evidenz von sehr niedriger Qualität beurteilt wurden, sind fundiertere methodische Studien erforderlich, um sichere Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit der CET auf AUD zu ziehen.

Kritik an der begrenzten Evidenz

Eine anderes Review kommt zu dem Ergebnis, dass CET bisher keine wirksame Behandlung von Suchterkrankungen gezeigt habe. Die Literatur sei jedoch durch methodische Probleme begrenzt, die durchweg konsistent seien. Darüber hinaus lasse sich die Extinktionsforschung nicht leicht in klinische Anwendungen überführen, und das CET-Verfahren könne möglicherweise von einer Verfeinerung profitieren, um theoretischen Problemen, die der Extinktion zugrunde liegen, und den individuellen Unterschieden zwischen drogenabhängigen und nicht-abhängigen Personen Rechnung zu tragen.[7]Conklin CA, Tiffany ST. Applying extinction research and theory to cue-exposure addiction treatments. Addiction. 2002 Feb;97(2):155-67. doi: 10.1046/j.1360-0443.2002.00014.x. PMID: 11860387.

Ein vergleichendes Review zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Expositionstherapie bei Angsterkrankungen und CET fand heraus, dass es theoretische und praktische Ähnlichkeiten zwischen der Exposition gegenüber Angstsignalen und Suchtsignalen gibt, insbesondere im Hinblick auf Extinktionslernen. Die Autoren stellen die begrenzte Evidenz für CET bei anderen Substanzgebrauchsstörungen fest und betonen die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung der Mechanismen und Wirksamkeit von CET.[8]Byrne SP, Haber P, Baillie A, Giannopolous V, Morley K. Cue Exposure Therapy for Alcohol Use Disorders: What Can Be Learned from Exposure Therapy for Anxiety Disorders? Subst Use Misuse. … Continue reading

Fazit

Die Forschungslage und die Erkenntnisse zu CET bei AUD sind bisher zu schwach, um zu einem allgemein gültigen Ergebnis zu kommen. In Anbetracht der Tatsache, dass jeder Patient nach seinem klinischen Aufenthalt früher oder später mit entsprechenden Cues/Triggern konfrontiert wird, scheint es sinnvoll, eine entsprechende Exposition vorab im (geschützten) therapeutischen Rahmen zu behandeln. Die Aufarbeitung der grundsätzlich bekannten Trigger scheint dabei noch einfach, häufig sind es jedoch die verborgenen Cues, die möglicherweise nur schwierig erarbeitet werden können, wenn überhaupt. Häufig fallen, wenn im klinischen Rahmen keine entsprechende Vorbereitung auf das Leben nach dem klinischen Aufenthalt stattfand, sowie einer möglicherweise nur schwer zugänglichen oder gar nicht vorhandenen Nachsorge, viele Patienten in ein emotionales Loch, wo sie entsprechend den bekannten Mechanismen einer AUD sehr anfällig für einen Rückfall sein können. Dies könnte möglicherweise durch CET deutlich abgemildert werden, im integrativen Kontext der Gesamtbehandlung sowie einer im Vorfeld bereits geplanten Nachsorge.

Quellen

Quellen
1 Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 Nov;57:195-207. doi: 10.1016/j.cpr.2017.07.006. Epub 2017 Jul 27. PMID: 28781153.
2 Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 Nov;57:195-207. doi: 10.1016/j.cpr.2017.07.006. Epub 2017 Jul 27. PMID: 28781153.
3 Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 Nov;57:195-207. doi: 10.1016/j.cpr.2017.07.006. Epub 2017 Jul 27. PMID: 28781153.
4 Norton PJ, Price EC. A meta-analytic review of adult cognitive-behavioral treatment outcome across the anxiety disorders. J Nerv Ment Dis. 2007 Jun;195(6):521-31. doi: 10.1097/01.nmd.0000253843.70149.9a. PMID: 17568301.
5 Conklin CA, Tiffany ST. Applying extinction research and theory to cue-exposure addiction treatments. Addiction. 2002 Feb;97(2):155-67. doi: 10.1046/j.1360-0443.2002.00014.x. PMID: 11860387.
6 Mellentin AI, Skøt L, Nielsen B, Schippers GM, Nielsen AS, Stenager E, Juhl C. Cue exposure therapy for the treatment of alcohol use disorders: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017 Nov;57:195-207. doi: 10.1016/j.cpr.2017.07.006. Epub 2017 Jul 27. PMID: 28781153.
7 Conklin CA, Tiffany ST. Applying extinction research and theory to cue-exposure addiction treatments. Addiction. 2002 Feb;97(2):155-67. doi: 10.1046/j.1360-0443.2002.00014.x. PMID: 11860387.
8 Byrne SP, Haber P, Baillie A, Giannopolous V, Morley K. Cue Exposure Therapy for Alcohol Use Disorders: What Can Be Learned from Exposure Therapy for Anxiety Disorders? Subst Use Misuse. 2019;54(12):2053-2063. doi: 10.1080/10826084.2019.1618328. Epub 2019 Jul 1. PMID: 31259660.

Über den Autor

Dr. Martin Weinand

Martin hat an der Universität zu Köln das Studium der Biologie aufgenommen, weil ihn seit seiner Kindheit die Prozesse des Lebens faszinieren. Nach seiner Promotion in Biochemie und Molekularbiologie ist er Wissenschaftler und Referent für Psychoedukation und Suchtforschung an der Lifespring Privatklinik.

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