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Nicht nur „Belohnungshormon“ – die vielfältigen Wirkorte von Dopamin

Dopamin ist ein vielseitiger und wichtiger Neurotransmitter im menschlichen Körper. Obwohl es in erster Linie als Belohnungsneurotransmitter angesehen wird, hat es verschiedene Funktionen innerhalb seiner vier Hauptsignalsysteme, die im Folgenden besprochen werden. Dopamin-Systeme sind neuronale Verbindungen, in denen Dopamin, einer der wichtigsten Neurotransmitter für Motivation und Abhängigkeit, in verschiedenen Bereichen des Gehirns wirkt, um wichtige Informationen wie exekutives Denken, Wiedererkennung, Belohnungs- und Lustgefühle sowie willkürliche motorische Bewegungen zu vermitteln. In diesem Artikel werden die vier Hauptbereiche behandelt, in denen Dopamin an der Signalübertragung beteiligt ist.

Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter im menschlichen Körper. Es ist bekannt, dass es bei Aktivitäten ausgeschüttet wird, die glücklich machen, wie z. B. Bewegung und Sport, Hobbys, Musik, soziale Interaktion, sexuelle Aktivität, Nahrungsaufnahme etc. Darüber hinaus setzt eine Rückkopplung ein, die dazu motiviert, genau die Dinge zu wiederholen, die durch die Dopaminausschüttung glücklich gemacht haben. So wird die Motivation gesteigert und die Aufmerksamkeit auf Ziele gelenkt, die mit einem guten Gefühl verbunden sind. Unser Gehirn „belohnt“ uns also jedes Mal, wenn wir einen Schritt in Richtung unserer individuell gesteckten Ziele machen.

Leidet jemand aber an einem Mangel, möglicherweise durch eine biologische Prädisposition, wird auch bei Dingen, die normalerweise glücklich gemacht hätten, wenig(er) Dopamin ausgeschüttet – der positive Rückkopplungseffekt bleibt aus oder ist zumindest so stark verringert, dass nicht die übliche oder mögliche Freude aufkommt. 

Obwohl Dopamin, wie in den vorigen Abschnitten beschrieben, vor allem als „Belohnungs“-Neurotransmitter bekannt ist, hat es an unterschiedlichen Stellen innerhalb seiner vier hauptsächlichen Wirkorte verschiedene, teils gänzlich andere Funktionen. Diese Dopaminsysteme sind neuronale Verbindungen, bei denen Dopamin in verschiedenartigen Bereichen des Gehirns zur Signalvermittlung verwendet wird, um wichtige Informationen wie das exekutive Denken, das Erkennen des ‚Außen‘, das Gefühl von Belohnung und des Vergnügens sowie freiwillige motorische Bewegungen zu vermitteln:

  1. Das mesolimbische System ist mit Motivation und Emotionen verbunden und wird mit Suchtverhalten und Schizophrenie in Verbindung gebracht.
  2. Das mesokortikale System ist dem Bereich der aktiven Gehirnleistungen zugeordnet, wie Kurzzeitgedächtnis und Entscheidungsfindung. Auch hier sind Zusammenhänge zu abhängigem Verhalten zu finden.
  3. Das nigrostriatale System steuert Körperbewegungen; eine Schädigung kann hauptursächlich zur Entwicklung der Parkinson-Krankheit beitragen.
  4. Das tuberoinfundibuläre System schließlich spielt eine Rolle bei mütterlichem und nährendem Verhalten sowie bei der Hormonregulation.

Diese vier Systeme werden im Folgenden behandelt. Die Reihenfolge ist dabei frei gewählt und entspricht keiner hierarchischen Gliederung.

 

Mesolimbisches Dopaminsystem

Das erste wichtige Dopaminsystem ist das mesolimbische System. Dieser Weg ist stark an dem bekanntesten Funktionsprinzip von Dopamin beteiligt: ​​Vergnügen und Belohnung. Dieses System beginnt im ventralen tegmentalen Bereich (engl.: „ventral tegmental area“, VTA). Das VTA bedeckt einen Teil des Mittelhirns und projiziert dopaminerge Aktionspotentiale auf einen anderen Bereich des Gehirns, der als Nucleus Accumbens (NAc) bezeichnet wird.1 Hier im NAc vermittelt Dopamin in erster Linie Gefühle der Freude und Belohnung. Wann immer eine Person auf lohnende oder angenehme Reize (wie Essen, sexuelle Aktivität, Drogen usw.) trifft, wird Dopamin freigesetzt und sendet Signale vom VTA an das NAc, wodurch positive Gefühle entstehen, die das Verhalten be- und verstärken.

Die Stimulation des NAc ist wichtig für die Aufrechterhaltung unserer täglichen Aktivität. Eine Überstimulation kann jedoch zu einem intensiven Verlangen, auch „Craving“, nach dem Zustand führen, das den NAc stimuliert. Diversese Substanzen erhöhen direkt die dopaminerge Aktivität innerhalb des mesolimbischen Systems und erzeugen intensive Gefühle bis hin zur Euphorie. Die Überwindung intensiver Heißhungerattacken, die Funktionsstörungen im mesolimbischen Signalweg unterstreichen, kann schwierig sein. Eine Psychotherapieherapie, ggf. gekoppelt mit medikamentöser Unterstützung können jedoch helfen, Kontrolle über dieses Verlangen zu erlangen3.

Der mesolimbische Pfad wird manchmal auch als Belohnungspfad bezeichnet, da er bei Susbtanz- und Verhltensabhängigkeiten eine wichtige Rolle spielt. Von Substanzen wie Alkohol, Nikotin, (Meth)Amphetamin, Kokain, Heroin usw. wird angenommen, dass sie einen Dopaminschub in dem mesolimbischen System verursachen, der einen euphorischen Effekt hervorruft. Wenn der Konsum chronifiziert, gleicht das Gehirn diese Dopaminschwankungen aus, indem es die Anzahl der verfügbaren Dopaminrezeptoren verringert, sodass ein Süchtiger immer mehr einer Substanz benötigt, um dasselbe Gefühl zu erzeugen. Dieser als Toleranz bezeichnete Effekt stellt eine Hauptursache für das Entstehen und die Aufrechterhaltung von Abhängigkeiten sowie von Überdosierungen dar.

 

Mesokortikales Dopaminsystem

Das zweite System wird als mesokortikales System bezeichnet. Wie im mesolimbischen System stammen dopaminerge Projektionen innerhalb des mesokortikalen Systems aus dem VTA. Vom VTA aus wandern Aktionspotentiale in Gebiete des präfrontalen Kortex (engl.: „prefrontal cortex“; PFC). Der PFC ist stark an der Wahrnehmung, dem Arbeitsgedächtnis und der Entscheidungsfindung beteiligt2. Wenn also eine Funktionsstörung innerhalb dieses Systems auftritt, kann es zu geringerer Konzentrationsfähigkeit und der Unfähigkeit kommen, Entscheidungen zu treffen.

Die Einnahme bestimmter Substanzen (welche teilweise auch als Medikamente verschrieben werden können) kann die Freisetzung von Dopamin im mesokortikalen System hochregulieren, was wiederum die Wahrnehmung und Aktivität im PFC erhöht. Obwohl dieser Anstieg des Dopamins im mesokortikalen System die Wahrnehmung unterstützen kann, kann er unbeabsichtigte Nebenwirkungen im mesolimbischen System (siehe obiger Abschnitt „Mesolimbisches Dopaminsystem“) bewirken. Daher sollten alternative Dopamin-erhöhende Medikmente in Betracht gezogen werden, um die Wahrnehmung zu unterstützen und gleichzeitig eine mesolimbisch verortete Abhängigkeit zu vermeiden3.

 

Nigrostriatales Dopaminsystem

Das nächste Dopaminsystem ist das nigrostriatale System, der an der motorischen Planung beteiligt ist. Wie der Name schon sagt, beginnen die Dopaminprojektionen in der Substantia nigra und gehen zum Caudate und Putamen, Teilen der Basalganglien. Dieses System enthält rund 80% des Dopamins im Gehirn.

Dopaminerge Neuronen im Nigrostriatalsystem stimulieren eine gezielte Bewegung. Eine verringerte Anzahl von Dopamin-Neuronen in diesem System ist ein Hauptaspekt der Beeinträchtigung der Motorik. Darüber hinaus stören D2-Antagonisten wie Antipsychotika der ersten Generation das Nigrostriatalsystem und können extrapyramidale Symptome verursachen. Diese Bewegungsstörungen können Krämpfe, Kontraktionen, Zittern, motorische Unruhe, Parkinson und Spätdyskinesien (unregelmäßige / ruckartige Bewegungen) umfassen2.

 

Tuberoinfundibuläres Dopaminsystem

Das letzte hier behandelte Dopaminsystem ist das tuberoinfundibuläre System. Die Dopamin-Neuronen in diesem System haben ihren Ursprung in den bogenförmigen und periventrikulären Kernen des Hypothalamus und projizieren in die infundibuläre Region des Hypothalamus, insbesondere in die mittlere Eminenz. In diesem System wird Dopamin in den Portalkreislauf freigesetzt, der diese Region mit der Hypophyse verbindet. Hier hemmt Dopamin die Prolaktinfreisetzung.

Prolaktin ist ein von der Hypophyse ausgeschiedenes Protein, das die Milchproduktion ermöglicht und wichtige Funktionen im Stoffwechsel, in der sexuellen Befriedigung (gegen die Erregungswirkung von Dopamin) und im Immunsystem hat. Die Blockierung der D2-Rezeptoren, wie sie bei Antipsychotika üblich ist, verhindert die Hemmfunktion von Dopamin und erhöht so den Prolaktinspiegel im Blut2. Ein Anstieg des Prolaktins kann den Menstruationszyklus, die Libido, die Fruchtbarkeit, die Knochengesundheit oder die Galaktorrhoe beeinflussen4.

 

Zusammenfassung

Dopamin ist weit mehr als nur ein Genuss-/Belohnungs-Neurotransmitter. Obwohl Dopamin diese Rolle im mesolimbischen Signalweg spielt, spielt es auch eine wichtige Rolle bei der Hormonfreisetzung, der Kognition und Bewegung. Vor allem bei Abhängigkeitserkrankungen spielt die Erregung des Belohnungssystems mittels Dopaminausschüttung sowie die bereits die Erwartungshaltung auf gewünschte Reize eine zentrale Rolle. Siehe hierzu die Artikel in diesem Blog, die Dopamin und andere Transmittersysteme thematisch behandeln:

 

Quellen:

  1. Adinoff B (2004). Neurobiologic Processes in Drug Reward and Addiction. In: Harvard Review of Psychiatry, 12(6), 305–320.
    doi: 10.1080/10673220490910844
  2. Guzmán F (2012). The Four Dopamine Pathways Relevant to Antipsychotics Pharmacology. Retrieved November 15, 2016, from http://psychopharmacologyinstitute.com/antipsychotics-videos/dopamine-pathways-antipsychotics-pharmacology/
  3. Yadav S K, Prakash J, Chouhan S, Westfall S, Verma M, Singh TD, Singh SP (2014). Comparison of the neuroprotective potential of
    Mucuna pruriens seed extract with estrogen in 1-methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahydropyridine (MPTP)-induced PD mice model.
    In: Neurochemistry International, 65, 1-13. doi:10.1016/j.neuint.2013.12.001
  4. Majumdar A, Manga NS (2015). Hyperprolactinemia. In: Principles and Practice of Controlled Ovarian Stimulation in ART (pp. 319-328).
    Springer India.

Über den Autor

Dr. Martin Weinand

Martin hat an der Universität zu Köln das Studium der Biologie aufgenommen, weil ihn seit seiner Kindheit die Prozesse des Lebens faszinieren. Nach seiner Promotion in Biochemie und Molekularbiologie ist er Wissenschaftler und Referent für Psychoedukation und Suchtforschung an der Lifespring Privatklinik.

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