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Veränderungen im Trinkverhalten bei Menschen mit Depression & Angstzuständen während COVID-19

Die COVID-19-Pandemie hat eine Krise der öffentlichen Gesundheit von beispiellosem Ausmaß ausgelöst. Ein erhöhter Alkoholkonsum wurde bereits während anderer Krisen ausführlich dokumentiert, insbesondere bei Personen mit Angstzuständen und Depressionen. Trotz der unterschiedlichen Auswirkungen von COVID-19 je nach Altersschicht wurde der Zusammenhang zwischen Alter, psychischer Gesundheit und Alkoholkonsum während dieser Pandemie noch nicht untersucht.

Highlights

  • 29 % der Befragten erhöhten den Alkoholkonsum während Covid-19. Diejenigen mit depressiven Symptomen hatten eine um 64 % höhere Wahrscheinlichkeit für einen erhöhten Alkoholkonsum.
  • Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen Lebensalter, psychischer Gesundheit und Alkoholkonsum.
  • Jüngere Befragte hatten die höchste Wahrscheinlichkeit, einen erhöhten Alkoholkonsum zu berichten, unabhängig vom psychischen Gesundheitszustand.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass ältere Personen über vermehrten Alkoholkonsum berichteten, war bei Personen mit schlechter psychischer Gesundheit viel höher.

 

Die COVID-19-Pandemie hat eine Krise der öffentlichen Gesundheit von beispiellosem Ausmaß ausgelöst. Ein erhöhter Alkoholkonsum wurde bereits während anderer Krisen ausführlich dokumentiert, insbesondere bei Personen mit Angstzuständen und Depressionen. Trotz der unterschiedlichen Auswirkungen von COVID-19 je nach Altersschicht wurde der Zusammenhang zwischen Alter, psychischer Gesundheit und Alkoholkonsum während dieser Pandemie noch nicht untersucht.

Laut einer Studie[1]Capasso A, Jones AM, Ali SH, Foreman J, Tozan Y, DiClemente RJ. Increased alcohol use during the COVID-19 pandemic: The effect of mental health and age in a cross-sectional sample of social media … Continue reading berichten Menschen mit Angstzuständen und Depressionen häufiger über einen Anstieg des Alkoholkonsums während der COVID-19-Pandemie als Menschen ohne Konsumstörungen oder psychische Probleme. Während der Alkoholkonsum bei jüngeren Menschen am stärksten zunahm, hatten ältere Erwachsene mit Angstzuständen und Depressionen ein höheres Risiko für schädlichen Alkoholkonsum.

Ein Anstieg des Alkoholkonsums, insbesondere bei Menschen mit Angstzuständen und Depressionen, steht im Einklang mit der Besorgnis, dass die Pandemie im Nachgang eine neue Epidemie mit problematischem Alkoholkonsum auslösen könnte, nach den Autoren der Studie.

Menschen trinken oft, um mit Stress und traumatischen Ereignissen fertig zu werden. Eine Studie aus dem Jahr 2002 ergab, dass ein Viertel der New Yorker Einwohner nach den Terroranschlägen vom 11. COVID-19 ihren Alkoholkonsum erhöht haben.[2]Vlahov D, Galea S, Resnick H, Ahern J, Boscarino JA, Bucuvalas M, Gold J, Kilpatrick D. Increased use of cigarettes, alcohol, and marijuana among Manhattan, New York, residents after the September … Continue reading

Covid-19 hat viele Stressoren verursacht, darunter Isolation und Unterbrechung der Routine, wirtschaftliche Not, Krankheiten und Angst vor einer Ansteckung. Untersuchungen legen nahe, dass die Menschen während der Pandemie mehr trinken.[3] Pollard MS, Tucker JS, Green HD. Changes in Adult Alcohol Use and Consequences During the COVID-19 Pandemic in the US. JAMA Netw Open. 2020;3(9):e2022942. doi:10.1001/jamanetworkopen.2020.22942

Menschen mit vorbestehenden psychischen Erkrankungen sind besonders anfällig für erhöhten Alkoholkonsum während stressiger Ereignisse. Um die Auswirkungen der Pandemie auf diese Bevölkerungsgruppe zu verstehen, haben Forscher im März und April 2020 eine Online-Umfrage erstellt und durchgeführt. Die Forscher befragten die Teilnehmer zum Alkoholkonsum während der Pandemie, sammelten demografische Informationen und maßen anhand von Selbstberichten Symptome von Depressionen und Angstzuständen. [4]Capasso A, Jones AM, Ali SH, Foreman J, Tozan Y, DiClemente RJ. Increased alcohol use during the COVID-19 pandemic: The effect of mental health and age in a cross-sectional sample of social media … Continue reading

Von den 5.850 Befragten, die angaben zu trinken, hatten 29 Prozent ihren Alkoholkonsum während der Pandemie erhöht, während 19,8 Prozent angaben, weniger zu trinken und 51,2 Prozent sagten, sie hätten ihre Trinkgewohnheiten nicht verändert. Menschen mit Depressionen erhöhten ihren Alkoholkonsum um 64 Prozent und Menschen mit Angstzuständen um 41 Prozent.

Das Trinkverhalten änderte sich mit dem Alter. Insgesamt berichteten jüngere Erwachsene unter 40 Jahren am häufigsten über einen erhöhten Alkoholkonsum (40 Prozent) während der Pandemie, verglichen mit 40- bis 59-Jährigen (30 Prozent) und Erwachsenen über 60 (20 Prozent). Allerdings berichten ältere Erwachsene (40 Jahre und älter) mit Symptomen von Angst und Depression etwa doppelt so häufig von einem erhöhten Alkoholkonsum während einer Pandemie als ältere Erwachsene ohne psychische Probleme.

Laut den Studienautoren wurde erwartet, dass jüngere Menschen und Menschen mit psychischen Problemen Alkohol als Bewältigungsmechanismus auflisten, aber hier wurde erstmalig nachgewiesen, dass psychische Gesundheit mit Altersunterschieden beim Alkoholkonsum verbunden ist.

Die Daten aus genannter Studie belegen Veränderungen des Alkoholkonsums und die damit verbundenen Folgen während der COVID-19-Pandemie. Neben einer Reihe negativer Assoziationen zur körperlichen Gesundheit kann übermäßiger Alkoholkonsum zu bestehenden psychischen Problemen wie Angstzuständen oder Depressionen führen oder diese verschlimmern, die ihrerseits auch ohne verstärkten Alkoholkonsum während COVID-19 zunehmen können. [5]Foulds JA, Adamson SJ, Boden JM, Williman JA, Mulder RT. Depression in patients with alcohol use disorders: systematic review and meta-analysis of outcomes for independent and substance-induced … Continue reading

Schlussfolgerungen

Die Veränderungen im Alkoholkonsumverhalten zeigen, dass Gesundheitssysteme Faktoren identifizieren müssen, die mit der Anfälligkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen von COVID- 19 zusammenhängen und die Verbraucher ggf. durch Print- oder Online-Medien über den erhöhten Alkoholkonsum während der Pandemie aufklären. Zusätzlich sollten Dienste für psychische Gesundheit und Substanzkonsum während COVID-19 ausgeweitet werden – unter anderem mittels Telemedizin, um Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung abzubauen – und aktiv Menschen mit psychischen Problemen zu erreichen, die als Reaktion auf Stress ungesund trinken. Gesundheitsthemen sollten Altersgruppen-spezifisch angepasst werden, um das Risiko, welches von zu viel Alkohol ausgeht, besser und zielgruppengerechter zu kommunizieren.

 

Quellen

Quellen
1 Capasso A, Jones AM, Ali SH, Foreman J, Tozan Y, DiClemente RJ. Increased alcohol use during the COVID-19 pandemic: The effect of mental health and age in a cross-sectional sample of social media users in the U.S. Prev Med. 2021 Apr;145:106422. doi: 10.1016/j.ypmed.2021.106422. Epub 2021 Jan 7. PMID: 33422577.
2 Vlahov D, Galea S, Resnick H, Ahern J, Boscarino JA, Bucuvalas M, Gold J, Kilpatrick D. Increased use of cigarettes, alcohol, and marijuana among Manhattan, New York, residents after the September 11th terrorist attacks. Am J Epidemiol. 2002 Jun 1;155(11):988-96. doi: 10.1093/aje/155.11.988. PMID: 12034577.
3 Pollard MS, Tucker JS, Green HD. Changes in Adult Alcohol Use and Consequences During the COVID-19 Pandemic in the US. JAMA Netw Open. 2020;3(9):e2022942. doi:10.1001/jamanetworkopen.2020.22942
4 Capasso A, Jones AM, Ali SH, Foreman J, Tozan Y, DiClemente RJ. Increased alcohol use during the COVID-19 pandemic: The effect of mental health and age in a cross-sectional sample of social media users in the U.S. Prev Med. 2021 Apr;145:106422. doi: 10.1016/j.ypmed.2021.106422. Epub 2021 Jan 7. PMID: 33422577.
5 Foulds JA, Adamson SJ, Boden JM, Williman JA, Mulder RT. Depression in patients with alcohol use disorders: systematic review and meta-analysis of outcomes for independent and substance-induced disorders. J Affect Disord. 2015;185:47-59. doi:10.1016/j.jad.2015.06.024

Über den Autor

Dr. Martin Weinand

Martin hat an der Universität zu Köln das Studium der Biologie aufgenommen, weil ihn seit seiner Kindheit die Prozesse des Lebens faszinieren. Nach seiner Promotion in Biochemie und Molekularbiologie ist er Wissenschaftler und Referent für Psychoedukation und Suchtforschung an der Lifespring Privatklinik.

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